Vor ungefähr zehn Jahren habe ich nach langer Zeit endlich zum Zeichnen zurückgefunden. Ich hatte mir fest vorgenommen, meine Skizzenbuch-Sammlung endlich zu nutzen. So einfach war das aber nicht, denn ich hatte nach wie vor großen Respekt vor dem weißen Blatt. Und meine Skizzenbücher waren Heiligtümer. So schöne Bücher, so schön gebunden, so schönes, weißes Papier. Ich hatte Hemmungen, sie zu „besudeln“, weil ich dachte, ich werde ihrer Schönheit nicht gerecht. Aber ich habe es nach einigen Anläufen doch noch geschafft, ganz unbefangen darin zu zeichnen.
Besser digital als gar nix
Zunächst habe ich mich mit digitalen Möglichkeiten ausprobiert, auf dem Tablet. Das konnte man einfach löschen, wenn’s nix geworden war. Damals waren die Programme und auch die Eingabemedien, also die Zeichenstifte, noch nicht besonders ausgereift. Aber es war immer noch besser, als eines dieser heiligen Skizzenbücher zu zerstören. Ziemlich schnell habe ich aber festgestellt, dass das für mich nicht das Wahre ist. Mir fehlte natürlich der Kontakt mit dem echten Papier, mit dem echten Zeichenwerkzeug. Und deshalb habe ich mich dann eben doch getraut, eines der Skizzenbücher herzunehmen und meine ersten Zeichenversuche zu starten.

Inspiration
Da ich, wie gesagt, auch Bücher liebe, nicht nur leere, sondern auch bedruckte, habe ich mich damit erst mal eingedeckt. Glücklicherweise gab es zu dem Zeitpunkt schon einige Bücher übers Skizzieren und Zeichnen. Hauptsächlich auf Englisch, aber das gab mir die Gelegenheit, mein altes Schulenglisch wieder aufzupolieren. Es war eine Offenbarung. Mit großen Augen, wie das sprichwörtliche Kind vor dem Weihnachtsbaum, habe ich diese Bücher verschlungen.
Das erste war „Mut zum Skizzenbuch“ von Felix Scheinberger. Das gibt’s auf Deutsch und ist immer noch eine Empfehlung, um den (Wieder-)Einstieg ins Zeichnen zu erleichtern. Das zweite war „Artist’s Journal Workshop“ von Cathy Johnson und das dritte „An Illustrated Life“ von Danny Gregory.
Besonders spannend fand ich, wie unterschiedlich die darin abgebildeten Skizzen und Skizzenbücher waren. So verschiedene Stile, Formate, Themen, Ansätze. Ich fühlte mich wie angekommen, wie endlich verstanden. Nie hätte ich gedacht, was man sich alles erlauben darf. Denn das war eigentlich mein Problem. Ich habe mir nicht erlaubt, zu experimentieren, Fehler zu machen und einfach das zu zeichnen, was mir gerade in den Sinn kam oder vor mir stand. Ein weiteres Buch von Danny Gregory hat dann endgültig das Eis gebrochen: „The Creative License: Giving Yourself Permission to Be the Artist You Truly Are“.

Keine Ausrede mehr
Ich hatte jetzt also keine Ausrede mehr. Also habe ich mir eines meiner Skizzenbücher geschnappt. Die Sammlung ist natürlich während meiner Recherche noch angewachsen. Ich habe einen meiner Hunde gezeichnet. So schlecht ist es eigentlich gar nicht geworden, aber dennoch nicht so locker und spontan, wie ich es mir erhofft hatte. Also bin ich dazu übergegangen, zunächst mal ein etwas günstigeres Skizzenbuch zu nehmen oder auch ein Heft. Hier war die Hemmung nicht ganz so groß und ich habe ziemlich viele Skizzen von meinen Hunden, meinem Innenhof, meinen Spaziergängen etc. mit allen möglichen Stiften und Farben gemacht. Ich habe experimentiert, inwieweit sich Zeichnungen gut mit Aquarellfarbe kolorieren lassen, wo Buntstifte besser geeignet sind oder wofür ich am besten nur den Bleistift verwende.
Alles in allem ergab das ein ziemliches Sammelsurium von verschiedenen Techniken, Papieren, Tools. Einfach ein großer Spielplatz für meine so lang zurückgehaltene Lust am Zeichnen.

Erleichterung
Ich hatte es also jetzt endlich geschafft, wieder regelmäßig zu zeichnen und noch dazu meine Skizzenbücher zu nutzen. Ganz leicht ist mir das nicht gefallen, aber ich habe ein paar Tricks angewendet. Der erste war, auf der letzten Seite verschiedene Materialien zu testen. Also auszuprobieren, wie das Papier auf verschiedene Stifte, Farben reagiert und wie ich es am besten nutzen kann.
Der zweite Trick: ganz vorne meine Adresse hineinschreiben mit der Bitte, mich zu informieren und mir das Buch zurückzugeben, falls es verloren geht. Das ist gar keine schlechte Idee. Mir ist es wirklich einmal passiert, dass ich mein Skizzenbuch in der S-Bahn vergessen habe. Jemand hat es gefunden und mich aufgrund dieser Notiz ganz vorne angeschrieben, sodass ich mein Buch zurückbekommen konnte. Was für ein Glück.
Drittens habe ich, falls ich doch mal auf irgendeinem Schmierzettel skizziert habe, mir angewöhnt, diese Skizze in mein Skizzenbuch hineinzukleben. So geht nichts verloren und manchmal ist es einfacher, auf einem minderwertigen Papier zu zeichnen. Wenn die Skizze dann gelungen ist, bewahre ich sie einfach sicher im Skizzenbuch auf.
Weiterhin habe ich mir angewöhnt, meine Skizzen mit einem kurzen Text und dem Datum zu versehen. So konnte ich gut nachvollziehen, wie ich über die Zeit Fortschritte gemacht hatte. Und einige tagebuchähnliche Einträge haben mich daran erinnert, was zu einer bestimmten Zeit passiert ist.
Gemeinsamkeiten
Ich habe festgestellt, dass es vielen so geht wie mir. Nicht nur, dass sie Bammel davor hatten, überhaupt zu zeichnen, sondern dass sie Probleme damit hatten, regelmäßig zu zeichnen. Quantität macht nämlich Qualität. Je mehr man zeichnet, desto besser wird man. Das ist gar nicht zu vermeiden und das will man ja auch nicht.
Ein Skizzenbuch ist der ideale Ort dafür. Es ist wie ein kleines Tagebuch und allein schon das Buch selbst erinnert daran, mal wieder den Stift zur Hand zu nehmen. Nicht ohne Grund führen sehr viele, früher eigentlich alle, Künstlerinnen und Künstler ein Skizzenbuch. Es ist einfach das ideale Archiv für Entwürfe, Ideen und Experimente.
Aber am schönsten ist das Zeichnen in einer Gemeinschaft. Also gemeinsam mit anderen kreativen Köpfen. Egal ob mit Freunden, beim Urban Sketching, online oder offline. Der Austausch miteinander, das Sich-über-die-Schulter-Schauen und Tippsgeben ist fast unbezahlbar. Ich zeichne am liebsten mit anderen zusammen. Da blühe ich richtig auf. Es gibt mir Energie und neue Ideen, sowohl für meine Kurse als auch für meinen Alltag. Es ist ein bisschen wie ein halber Urlaubstag.

Probier’s einfach mal aus. Nimm Skizzenbuch und Stift und los geht’s. Happy Sketching!

